Samstag, 3. Dezember 2011

In Time - Deine Zeit läuft ab - linker Thriller

Wer  Bonnie und Clyde mag und wer für Michael Endes  "Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte"  schwärmt , der sollte In Time Deine Zeit läuft ab nicht verpassen. Junge Zuschauer lassen sich allerdings eher durch die Attraktivität des Sängers und Schauspielers JustinTimberlake als durch meine seltsamen Retroüberlegungen in den Film locken. Einbrüche, Verfolgungsjagden, Rennen gegen die ablaufende Zeit und viele Szenen, in denen Timberlake als Killer und als Wohltäter brillieren kann. Fans kommen auf ihre Kosten.
Mich hat dieser sozialkritische Science-Fiction-Thriller für das junge Publikum und mit jungem Personal interessiert . Wo außer im Kino kann man so anschaulich Utopien vorgeführt sehen, auch wenn natürlich nicht alle Handlungsstränge logisch sind oder  biotechnisch außerhalb jeder aktuellen Umsetzbarkeit liegen.

Drehbuchautor, Produzent und Regisseur Andrew Niccol aus Neuseeland erfindet in In Time eine Welt, in der alle Menschen mit einem Guthaben von 25 Jahren auf die Welt kommen und nicht altern. Die weitere Lebenszeit muß erarbeitet werden. 
Arme hangeln sich von Tag zu Tag, Reiche verfügen über unermeßliche Vorräte. Sie bezahlen für eine Taxifahrt zum Beispiel ein Jahr, für einen Jaguar 58 Jahre, im Casino wird ein Einsatz von 100000 Jahren gesetzt. Materialisiert wird die Zeit in Form von Metallbarren, mit denen man die individuelle Zeituhr auflädt. Am Unterarm der Menschen implantiert zeigt sie auf giftgrünem Display das Ablaufen der Lebenszeit und des Kontos gleichzeitig. 
Dieses System funktioniert in verschiedenen getrennten Zonen, die armen haben keine Chance zum Aufstieg , zu einem Leben in der Zone der Reichen. Überfälle, um sich an der Uhr des andern zu bereichern, sind an der Tagesordnung. Bonnie und Clyde mußten noch Banken überfallen, um Dollarscheinbündel zu erbeuten. Die Raubserie im Film ist der in den USA wild agierenden Stadtguerilla der 70er Jahre nachempfunden.

Ein 28 Jahre junger Fabrikarbeiter, Justin Timberlake, erhält von einen Lebensmüden 100 Jahre geschenkt, dadurch gelangt er in die Zone der Reichen. In einer Luxuswelt, die eigentümlicherweise wenig futuristisch sondern  wie heutiger exklusiver Lifestyle aussieht, lernt er die gelangweilte Tochter eines Zeitmoguls kennen. Die beiden werden zum klassenkämpferischen Liebespaar und ziehen raubend  durch die wundersame Welt der optisch 25 Jährigen.  Aber im Gegensatz zu Bonnie und Clyde gelingt ihnen durch die Weitergabe von gestohlener Zeit das dikatatorische System in Chaos und Auflösung zu stürzen. Mit der Wirkung, dass sogar der oberste Vertreter der Ordnungsmacht, der Timekeeper, seine Dienstwaffe auf den Tisch legt und seine Untergebenen nach Hause schickt.
Der Wunsch der Oberschicht nach Unsterblichkeit ist nur zu erfüllen, wenn durch bewußt gesteuerte Inflation die erschwerten Lebensbedingungen die Bevölkerungszahl dezimiert.  Zu wenig Stunden, Minuten gearbeitet, schon läuft die Uhr auf Null, der Mensch fällt tot um.
Ein Gesellschaftssystem, dessen Währung nur wenig Gierigen dient, hat in diesem Film ausgedient. Aus Hollywood im Jahr 2011 !

Krasse Botschaft“ sagt die Jugend, das finde ich auch.

Michael Ende schreibt 1984, dass die Idee des alternden Geldes im Hintergrund seines Romans Momo stehe. " Gerade mit diesem Gedanken... habe ich mich in den letzten Jahren intensiver beschäftigt, da ich  zu der Ansicht gelangt bin, dass unsere ganze Kulturfrage nicht gelöst werden kann, ohne dass zugleich oder vorher sogar die Geldfrage gelöst wird."

Apropos zur Geldfrage:
Ich empfehle sehr den Dokumentarfilm „Inside Job“ von Ferguson, 2010 zur Bankenkrise in den USA. Spannend, viel Insiderwissen und immer noch hochaktuell.

Movidora

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